Zum Inhalt [I]
Zur Navigation [N]
Kontakt [C] Aktuelles [2] Suchfunktion [4]

Impuls zum 17. Dezember 2023

Zum 3. Sonntag im Advent

Von Charles Borg-Manché, geistlicher Beirat, pax christi Diözesanverband München und Freising

Hinführung
Der heutige 3. Adventssonntag wird seit vielen Jahrhunderten „Gaudete-Sonntag“ genannt. Diese Bezeichnung stammt vom ersten Wort des lateinischen Eröffnungsverses: „Gaudete in Domino semper“ („Freut euch im Herrn zu jeder Zeit“, Phil 4,4). Der Hauptgrund unserer Freude ist das Näher-Rücken des Weihnachtsfestes, der Geburt des Herrn, dessen Kommen wir freudig und hoffnungsvoll erwarten.

Im heutigen Evangelium ist von Einem die Rede, der berufen war, dieses Kommen des Messias anzukündigen – Johannes der Täufer. Von ihm heißt es: „Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit Alle durch ihn zum Glauben kommen.“ Diese Berufung des Johannes ist auch unsere Berufung. Denn unser Auftrag als Christinnen und Christen ist es, Zeugnis für das Licht abzulegen – die Wege dafür zu bereiten, dass Gottes Licht in die vielen dunklen Ecken der Ungerechtigkeit und des Unfriedens dieser Welt hinein strahlen kann. Die Adventszeit erinnert uns daran, dass dieses Licht Gottes in der Gestalt des Kindes von Bethlehem erschienen ist, um ausnahmslos allen Menschen heute das Licht der Hoffnung und der Zuversicht zu bringen – in ihr persönliches Leben, aber auch in unsere Gesellschaft, in Politik und Kirche, vor allem in alle Kriegsgebiete unserer Erde.

Lied
  1. Hoffen wider alle Hoffnung, glauben, dass es dennoch weitergeht. Lieben, wo es beinah nicht mehr möglich, damit die Welt auch morgen noch besteht.
  2. Fühlen, wo Gefühle sterben, Licht sehn da, wo alles dunkel scheint. Handeln anstatt tatenlos zu trauern, trösten auch den, der ohne Tränen weint.
  3. Wach sein, Zeichen klar erkennen, helfen trotz der eignen großen Not. Aufstehn gegen Unrecht, Mord und Lüge, nicht einfach schweigen, wo die Welt bedroht.
  4. Trauen dem, der uns gesagt hat: „Seht doch, ich bin bei euch alle Zeit.“ Mit uns ist er auch in unserm Suchen, bis wir ihn schaun im Licht der Ewigkeit. 

Text und Melodie: Heinz Martin Lonquich (1988)
(Melodie kann auf YouTube angehört werden.)
Aus dem Evangelium nach Johannes (Joh 1, 6-8.19-28)
Ein Mensch trat auf, von Gott gesandt; sein Name war Johannes.
Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, 
damit Alle durch ihn zum Glauben kommen.
Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.
Und dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden von Jerusalem aus Priester und Leviten 
zu ihm sandten mit der Frage: Wer bist du?
Er bekannte und leugnete nicht; er bekannte: Ich bin nicht der Christus.
Sie fragten ihn: Was dann? Bist du Elíja?
Und er sagte: Ich bin es nicht.
Bist du der Prophet? Er antwortete: Nein.
Da sagten sie zu ihm: Wer bist du? Wir müssen denen, die uns gesandt haben, Antwort geben.
Was sagst du über dich selbst?
Er sagte: Ich bin die Stimme eines Rufers in der Wüste: Ebnet den Weg für den Herrn! – 
wie der Prophet Jesája gesagt hat. Die Abgesandten gehörten zu den Pharisäern.
Sie fragten Johannes und sagten zu ihm:
Warum taufst du dann, wenn du nicht der Christus bist, nicht Elíja und nicht der Prophet?
Johannes antwortete ihnen: Ich taufe mit Wasser.
Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt, der nach mir kommt;
ich bin nicht würdig, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen.
Dies geschah in Betánien, jenseits des Jordan, wo Johannes taufte.

Gedanken zum Evangelium
„Ein Mensch trat auf, von Gott gesandt; sein Name war Johannes.“
Das heutige Evangelium ist eine mit Spannung geladene Erzählung. Etwas Außerordentliches muss von diesem Täufer Johannes erzählt worden sein. Anders ist das ungewöhnliche Interesse an ihm nicht zu erklären. Darum werden eigens Priester und Leviten von Jerusalem zu ihm in die Wüste gesandt, um dieses Ungewöhnliche am Täufer herauszufinden. Doch das Verhör beginnt ausgesprochen enttäuschend. Die Vermutungen, die sich in den ersten drei Fragen ausdrücken, sind alle falsch: „Nein, ich bin nicht der, nach dem ihr fragt – ich bin nicht der Messias, nicht Elija, nicht der Prophet“, antwortet Johannes. Erst als sie eine weitaus offenere Frage an ihn stellen, bekommen sie eine positive Antwort: „Ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft!“ Aber auch diese Antwort wirft wieder Fragen auf. Wessen Stimme ist er? Und was spricht sie aus, diese Stimme?

Johannes der Täufer macht deutlich, dass es nicht auf ihn selbst ankommt, sondern nur auf den, von dem er spricht. Er weigert sich, die Rolle eines „Messias“, eines Retters und Befreiers zu spielen. Er weigert sich, in eine Richtung gedrängt zu werden, die nicht seinem Auftrag, seiner Berufung entspricht. „Ich bin es nicht“, sagt er immer wieder. Johannes widersteht dem Versuch, ihn als etwas anderes zu deuten als er ist, nämlich Wegweiser. „Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.“ Johannes will nur Interpret, Zeuge sein. Seine Stimme verweist allein auf den Herrn, auf den wahren Messias, von dem das Heil, die Befreiung zu erwarten ist. Seine Stimme verweist, indem sie aufdeckt, was bereits Wirklichkeit ist, nämlich: „Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt.“ Und dieser ist von Gott gesandt, wie es im Buch Jesaja heißt, damit er „den Armen eine frohe Botschaft bringe, den Gefesselten die Befreiung verkünde und alle heile, deren Herz zerbrochen ist.“

Diese Grundeinstellung Johannes des Täufers als Zeuge und Wegweiser ist, meine ich, für uns Christeninnen und Christen heute eine sehr aktuelle Botschaft. Denn mitten unter uns steht Einer, den viele heute – auch Getaufte – immer noch nicht wirklich kennen. Trotz 2000 Jahre Christentum und Kirche, trotz über 1 Milliarde Christinnen und Christen auf der Erde hat sich die Lage der Menschheit nicht wesentlich verbessert. Unser christliches Zeugnis ist also in unserer Zeit mehr denn je gefragt. Jede und jeder Einzelne von uns ist als Zeuge und Wegweiser in unserer Gesellschaft besonders gefragt. Doch wie soll unser Zeugnis heute aussehen, damit es glaubwürdig und wirkungsvoll ist? 

Der große indische Prophet der Gewaltfreiheit Mahatma Gandhi wurde einmal von christlichen Missionaren gefragt, was sie tun müssten, damit die Hindus das Evangelium annehmen. Seine Antwort: „Denken Sie an das Geheimnis der Rose. Alle mögen sie, weil sie duftet. Also duften Sie, meine Herren!“ Auf das Duften kommt es also an. In einer Welt, die nach Gewalt, Hass, Ungerechtigkeit, Hunger, Krieg, Korruption unheimlich stinkt, müssen wir Christen und christliche Gemeinden noch viel stärker nach Liebe und Zuwendung, nach Gerechtigkeit, Gewaltfreiheit und Frieden duften – und oft genug müssen wir gegen den Wind duften!

Für mich heißt das konkret:  

  • Wo ein Christ gerecht sein will und dafür Nachteile in Kauf nimmt, obwohl Viele ihm raten: „Beharre auf deinem Recht!
  • Wo einer die Freiheit Anderer achtet, obwohl er zum Druck und Zwang gedrängt wird;
  • Wo jemand vergeben will, obwohl Andere ihn im Hass bestärken;
  • Wo ein Mensch einem anderen beisteht, obwohl Alle sagen, dass der es nicht verdient;
  • Wo jemand eine Aufgabe übernimmt, obwohl Viele ihm sagen: „Du lässt dich ganz schön ausnützen!“
  • Wo ein junger Mensch einen Beruf wählt, in dem er seinen Mitmenschen dienen will, obwohl man ihm sagt: „Du bist zu schade dafür!“
  • Wo sich jemand am Arbeitsplatz mit einem gemobbten Kollegen solidarisch zeigt, obwohl ihm gesagt wird: “Halte dich da lieber raus!“ 
  • Wo jemand sich kirchlich oder politisch engagieren will, obwohl Viele zu ihm sagen: „Da hast du nichts als Ärger davon!“ 
  • Wo sich christliche Friedensbewegte gegen Unrecht und Gewalt einsetzen, obwohl viele andere sagen: „Da könnt ihr eh nichts machen!“
 
Mit einem Wort: Überall dort, wo Menschen, wo wir als Christinnen und Christen uns weigern, nur an uns selbst zu denken – überall dort, wo wir prophetisch wirken und Gefesselte aus ihrer Notlage zu befreien versuchen – überall dort weisen wir auf Jesu Botschaft hin, sind wir Zeugen von Gottes Solidarität mit allen Menschen in dieser Welt. 

Von uns Christinnen und Christen wird heute kein frommes Getue erwartet, keine moralischen Appelle, schon gar keine Antworten auf nicht gestellte Fragen, sondern vielmehr ein Handeln, das zu einem geglückten Leben befreit, das die Menschen aufatmen lässt. Die Erwartung an uns heute kann mit folgenden Worten ausgedrückt werden: Redet nicht von Gott, sondern verhaltet euch so, dass die Menschen Gottes befreiende Liebe spüren – dass Gott bei den Menschen, besonders bei den Armen und Bedrängten, ankommen kann. 

Papst Franziskus hat in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“ Folgendes geschrieben: „In der Treue zum Vorbild des Meisters ist es lebenswichtig, dass die Kirche heute hinausgeht, um allen an allen Orten und bei allen Gelegenheiten ohne Zögern, ohne Widerstreben und ohne Angst das Evangelium zu verkünden. Die Freude aus dem Evangelium ist für das ganze Volk, sie darf niemanden ausschließen…Jünger-Sein bedeutet, ständig bereit zu sein, den anderen die Liebe Jesu zu bringen, und das geschieht spontan an jedem beliebigen Ort – am Weg, auf dem Platz, bei der Arbeit, auf einer Straße.“ (EG 23, 127)

In dieser Adventszeit wünsche ich uns, dass es uns als Glaubende und als Pax-Christi-Bewegung ansatzweise gelingt, im Sinne dieses Papstwortes den Menschen in unserer Umgebung, in unserem Stadtteil Gottes Liebe spüren zu lassen. Ich wünsche uns, dass wir uns immer mehr bemühen, in unserer von Gewalt, Krieg und Unrecht geplagten Welt immer wieder durch konkrete kleine Taten nach Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Frieden zu duften – damit die Menschen hier und heute erleben können, was uns der Prophet Jesaja in der Lesung verheißt, nämlich: dass den Armen „eine frohe Botschaft verkündet wird, den Gefangenen die Entlassung, den Gefesselten die Befreiung“ – dass Gott alle Menschen heilt, „deren Herz zerbrochen ist.“

Gebet
Barmherziger Gott!
Schau gütig auf uns, dein Volk, 
das mit Freude das Fest deiner Menschwerdung erwartet.

Mache unser Herz in diesen adventlichen Tagen dafür bereit. 
Lass uns stets darauf vertrauen, dass du das geknickte Rohr nicht zerbrechen
und den glimmenden Docht nicht auslöschen wirst.

Darum bitten wir dich durch Christus Jesus, deinen Sohn, unseren Bruder, der mit dir lebt und bei uns ankommen will heute und alle Tage unseres Lebens. Amen.

Adventssegen
Der Herr segne uns
und schenke uns einen langen Atem in dieser Zeit voller Hektik und Hetze. 

Er schenke uns die nötige Gelassenheit, die wir brauchen, 
um ihm in den Zeichen unserer Zeit zu begegnen.

Er lasse unser Handeln nach Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Frieden duften, 
damit die Menschen heute Hoffnung schöpfen können. 

Er schenke uns das feste Vertrauen, dass er wirklich kommt – 
damit sein Friede in unsere von Krieg und Gewalt geplagte Welt hineinstrahlt.

So segne uns der menschenfreundliche Gott – 
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist!